Macht- und rassismuskritische Perspektiven auf Strukturen der politischen Bildungsarbeit

Ein Verbundprojekt zwischen GLADT e.V. und dem Archiv der Jugendkulturen e.V.

Motivation:

Politische Bildung macht sich zur Aufgabe, verschiedene gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen, ein Verständnis für deren Strukturen zu entwickeln und damit die „Politikfähigkeit, Toleranz und Kritikfähigkeit“ von Menschen zu fördern. Das Ziel könnte beschrieben werden als „ein Zuwachs von Partizipation in demokratische Machtverhältnisse.“

Aus Sicht von marginalisierten Gruppen wird jedoch häufig offensichtlich, dass Themen wie Interessen, Macht und Herrschaft – als (unsichtbare) Grundlage von Gesellschaft – hierbei nicht mitgedacht werden. Das Verständnis von gesellschaftlichen Strukturen scheint über eine Art Anpassungstendenz vermittelt, anstatt durch eine Kritik an bestehenden Machtverhältnissen und Überlegungen bezüglich gerechter (neuer) Verteilung von Macht und Ressourcen.

„In Deutschland aufgewachsen zu sein und Wissen in den seltensten Fällen durch BIPoC Referent*innen, Lehrer*innen oder Trainer*innen vermittelt zu bekommen, ist nicht nur eine schmerzhafte Erfahrung. Die Botschaft dahinter ist für mich: Ich und Menschen, die so aussehen und/oder so sind wie ich, könnten keine Expert*innen sein oder werden.“

Über welche gesellschaftlichen Strukturen und Personengruppen wird Verständnis vermittelt? Wer vermittelt Verständnis über wen? Welche Strukturen und Personengruppen werden problematisiert, welche andererseits gar nicht benannt? Wie wird über gesellschaftliche Probleme politische Bildungsarbeit hergestellt? Wer verfügt über oder bekommt die Deutungshoheit sowie Macht und Ressourcen, um politische Bildungsarbeit zu gestalten? Das sind einige von vielen machtkritischen Fragen, mit denen sich intersektionale politische Bildungsträger wie GLADT e.V. seit vielen Jahren ohne große Ressourcen beschäftigen (müssen).

„BIPoC Referent*innen tragen nicht nur zur Selbstreflexion und Weiterbildung von Stundent*innen bei, sie geben ihr Wissen und Knowhow auch kostenlos an weiße Kolleg*innen weiter, die sich darüber kaum bewusst sind.“

Erst durch das Interesse Einzelner vom etablierten Archiv der Jugendkulturen e.V., in dem die Mitarbeiter*innenstruktur – sowohl bei Festangestellten als auch bei Freiberufler*innen – immer noch überwiegend durch weiße, cis-geschlechtlich, heterosexuell und bildungsbürgerlich sozialisierte Menschen geprägt ist, haben wir als GLADT e.V. und somit langjährige Expert*in die Chance erhalten, an Ressourcen zu gelangen, die für eine Beantwortung dieser Fragen genutzt werden können.

„(Un)Wissen, welches von weißen Cis-Männern vermittelt wird, wird angenommen als wären es Dollarscheine. Studierte BIPoC mit jahrelanger Berufserfahrung müssen hingegen erstmal beweisen, dass sie nicht “dumm“ sind.“

Projekt:

Die machthabenden Menschen und Organisationen unterschätzen das Ausmaß des Unbehagens, das mit dem Fokus auf macht- und rassismuskritische Haltung und der Schaffung einer inklusiven Struktur einhergeht. Es rückt ins Rampenlicht, wo es Privilegien gibt und wo Veränderungen vorgenommen werden müssen. Sowohl die politische Bildungsarbeit an sich als auch ihre gut ausgestatteten Träger zeigen resistente Verhaltensweisen, wenn es darum geht, eigene Inhalte und Strukturen macht- und rassismuskritisch zu betrachten.

Dieses Modellprojekt soll dazu dienen, Antworten auf und Strategien für folgende Aspekte zu entwickeln:

  • Warum sind Träger überwiegend selbst weiß, cis-geschlechtlich, heterosexuell, bildungsbürgerlich, nicht-beHindert und machtvoll geprägt, obwohl sie ihre politische Bildungsarbeit hauptsächlich auf gesellschaftspolitische Diskurse und Syndrome gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus usw. ausrichten?
  • Warum erhalten Menschen mit Erfahrungen in den Bereichen Rassismus, (cis)Sexismus, Trans*feindlichkeit, Klassismus, Ableismus u.a. so wenig Zugang zu politischen Bildungsträgern sowohl als Teilnehmende als auch als Anbietende?
  • Wie kann politische Bildungsarbeit so gestaltet werden, dass die marginalisierten gesellschaftspolitischen Verhältnisse mehr Sichtbarkeit, Verständnis sowie einen Perspektivenwechsel erfahren und eine neue Gestaltung durch Machtverteilung gefördert und ermöglicht wird?

Macht-und rassismuskritische politische Bildungsarbeit

Politische Bildungsarbeit hat die Aufgabe, Wissen über gesellschaftliche Verhältnisse und Machtstrukturen unabhängig von der sozialen Herkunft an alle Bevölkerungsgruppen und Communities zu vermitteln.

In Bezug auf Menschen, die privilegiertere Positionen in der Gesellschaft einnehmen, sollte politische Bildungsarbeit einen Weg aufzeigen, verantwortungsvoll mit der eigenen Positionierung sowie sozialen Machtgefällen umzugehen. Weiterhin hinterfragt macht- und rassismuskritische Bildungsarbeit die mehrheitlich weiße Dominanz in gesellschaftlich relevanten Institutionen und deren Entscheidungsebenen.

Im Hinblick auf marginalisierte Menschen sollte politische Bildungsarbeit hingegen das Ziel verfolgen, diesen Personen Werkzeuge an die Hand zu geben, um die eigenen Unterdrückungsverhältnisse – z.B. Sexismus, Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit oder sozialen Status/Klasse – verstehen, benennen und eigene Interessen im demokratischen Partizipationsprozess erarbeiten und effektiv vertreten zu können. Eine Sensibilisierung zu gesellschaftlichen Missständen und Diskriminierungsmechanismen durch politische Bildungsträger*innen kann dementsprechend zu einer machtkritischen Haltung mit empowernder Wirkung führen. Dadurch können sich in einem weiteren Schritt Community-Strukturen stärken, sodass solidarische Allianzen unter de-privilegierten Communities gefördert werden.

„Wallah, meine Nachbarin Dalya, der weder ein Studium noch irgendeine andere Form von Ressource oder Zugang ermöglicht wurde, hat mir mehr beigebracht und mich mehr gelehrt als je ein*e weiße*r Dozent*in in Almania.“

 

Politische Bildungsarbeit aus intersektionaler Perspektive

In unserem neuen Kurzfilm gehen wir der Frage nach, was politische Bildungsarbeit eigentlich bedeutet und wann wir von Intersektionalität sprechen können? Wie arbeiten Expert*innen in diesem Bereich und die wichtigste Frage: Was sind ihre Forderungen?

Dank an Stefanie-Lahya Aukongo, Ed Greve, Olenka Bordo Benavides für die Interviews und das Teilen von wertvollem Wissen und an Nina Laçin für die tollen Filmaufnahmen.

Gefördert durch: